Friedhöfe, traurige Orte der Trauer
- MBE2023
- 2. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Ich arbeite seit 2015 in der Bestatterbranche. 2023 habe ich mich selbständig gemacht. Seit meinem Ausbildungsbeginn kämpfe ich mit keiner Aussage so sehr wie mit der, dass Bestattungen unnötig teuer sind und das Bestatter ja nur leichtes Geld abgreifen wollen. Das mag sicher auf den ein oder anderen unseriösen Mitbewerber zutreffen. Ich bemühe mich jedoch bei jeder Anfrage und in jedem Gespräch so transparent zu sein, wie es nur geht.
Heute, am 2. April 2025 habe ich im WDR einen Nachrichtenbeitrag gehört, dass die Stadt Bad Honnef ihre Trauerhalle auf dem Waldfriedhof Röhndorf renoviert hat und dabei die von Schimmel befallenen Stühle entsorgt hat. Vermutlich wäre darüber nicht berichtet worden, wenn es nicht auch der Friedhof wäre, auf dem der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Einem Architekturstudenten, dessen Großvater die Kapelle entworfen hat, ist dies aufgefallen und er hat einen Stuhl aus den weggeworfenen Stühlen rekonstruiert. Ärgernis: Ein Stuhl hat einen Wiederanschaffungswert von ca. 500,- €. Aus dem Bericht heraus beteuert die Stadtverwaltung, dass den Mitarbeitern der materielle und ideelle Wert der Stühle nicht bekannt war. Hier geht es zum Bericht beim WDR.
Das, wie ich finde, eigentliche Ärgernis.
Wie zu Beginn geschrieben, arbeite ich seit nun fast 10 Jahren in der Bestatterbranche. In dieser Zeit habe ich Friedhöfe in ganz Deutschland gesehen und nahezu überall hat sich das selbe Bild ergeben: alte, dunkle, dreckige, kalte und kaputte Trauerhallen mit schlecht gewarteten Arbeitsmaterialien. Besonders schlimm war dieser Eindruck immer dann, wenn es sich um einen städtischen Friedhof handelt.
Die Trauerhallen sind oft 50 Jahre oder älter. Die Ausstattung ist, zumindest optisch, nicht bedeutend jünger. Natürlich ist den heute dort arbeitenden Mitarbeitern der Wert nicht bekannt.
Trauerhallen werden kaputt gespart! Ein Beispiel dafür zeigt die Trauerhalle auf dem Aachener Friedhof Lintert. Ich selber finde sie, wenn ich nur die Bauart betrachte, eine der schönsten Trauerhallen die die Stadt Aachen haben könnte. Ein Kirchenschiff ähnliches Gebäude mit Vordach und großer Glaßwand mit dem Ausgang zum Friedhof hinaus. In der Halle gibt es eine Orgelempore mit Orgel. ABER: Die Halle ist kalt und feucht. Im Sommer schön angenehm im Winter aber schon fast gruselig und sehr unangenehm. Ist den meisten Trauernden sowieso schon unwohl, weil Sie zu einer Beerdigung gehen und sie sich in einer emotionalen Sondersituation befinden, so müssen Sie auch die 20 Minuten, die die Friedhofsverwaltung für eine Trauerfeier bei einer Hallenzeit gibt auch noch frieren. Einzige Wärmequelle sind sechs Infrarotlampen, die über den alten Holzstühlen hängen. Es gibt zwar Heizkörper in der Trauerhalle aber ob die dazugehörige Heizung noch funktioniert ist mehr als fraglich. Am 23. Oktober 2013 veröffentlichte die Aachener Zeitung einen Artikel mit dem Titel Lintert: Neues Leben in alter Trauerhalle , darin erzählt Fred Quarten, der als junger Ingenieur die Statik der Halle selber berechnete von seinen Eindrücken als er zu einer Beerdigung im November 2012 in der Trauerhalle war und wie er sie retten wollte.
Es war eine verrottete, kalte Halle. [...] Ich habe am Grab geheult, aber als ich hier hereinkam, musste ich auch heulen.
Zitate von Fred Quartel aus dem Artikel "Lintert: Neues Leben in Alter Trauerhalle"
Jetzt kann die Stadt Aachen zu ihrer Verteidigung sagen, die Gebühren für die Nutzung der Trauerhalle beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf nur 70,- € (seit der Anpassung der Friedhofsgebühren 2024 : 90,- €) doch bleibt die Frage ob dies der richtige Umgang mit städtischen Gebäuden ist. Bis heute hat sich an der Halle wenig getan. Die Versorgungsanbauten der Halle wurden mit Leichtbauwänden verschlossen. Zum Friedhof gehörende Häuser die z.B. für eine Pförtnerwohnung gedacht waren, stehen leer und auch hierfür gibt es keine Bestrebung etwas zur Rettung zu unternehmen.
Auch in den anderen Städten der Städteregion Aachen, in der ich auf Grund meiner Lage häufiger bin, lassen sich Ähnlichkeiten beobachten. Keine oder nicht funktionierende Heizungen, kaputte und unbequeme Stühle, schlechte Lichtverhältnisse, dreckige Wände, Decken und Böden und schlecht gewartete Ausstattung wie z.B. den Katafalk- bzw. Bahr- und Transportwägen mit denen ein Sarg von der Trauerhalle bis zum Grab gebracht wird. Hierzu eine kleine Übersicht der Friedhofsgebühren die in Städten der StädteRegion Aachen für die Nutzung von Trauerhallen erhoben wird.
Stadt | Trauerhallengebühr |
---|---|
Aachen | 90,00 € 159,00 € Halle 1 auf dem Friedhof Hüls |
Alsdorf | 270,00 € |
Baesweiler | 200,00 € Baesweiler & Setterich, 60,00€ in anderen Stadtteilen |
Eschweiler | 352,30 € Stadt Eschweiler, 220,00 € Kath. Friedhof Dürener Straße, 200,00 € Evangelische Friedhöfe |
Herzogenrath | 195,00 € |
Monschau | 380,00 € für einen Sarg 190,00 € für eine Urne |
Roetgen | 105,00 € |
Simmerath | 198,00 € |
Stolberg | 350,00 € große Hallen, 128,00 € kleine Hallen |
Würselen | 125,00 € zzgl. 15,- € für einen Sargwagen |
Die Stadt Bad Honnef berechnet für die Nutzung der Trauerhalle übrigens ebenfalls eine stolze Gebühr von 300,00 €.
Jetzt ist es von Stadt zu Stadt unterschiedlich, wie lange die Trauerhalle genutzt werden kann und wie lange die Trauerfeier dauern darf. Im Durchschnitt dauert eine Trauerfeier jedoch ca. 25 Minuten.
Nun ein kleines Rechenbeispiel: Auf den städtischen Friedhöfen der Stadt Eschweiler können am Tag 3 Bestattungen stattfinden.Wenn der Vorplatz der Trauerhalle oder die Trauerhalle für eine Trauerfeier genutzt wird, fallen die oben genannten Gebühren von 352,30 € an. Das schafft bei 15 möglichen Bestattungen in der Woche eine potenzielle Einnahme von 5.284,50 €. Realistischer Durchschnitt sind jedoch 3 - 4 Trauerfeiern in der Woche, was immernoch Friedhofsgebühren für die Nutzung von Trauerhallen in Höhe von 1.409,20 € bedeuten. Bei rechnerisch 4 Wochen im Monat bedeutet das 5.636,80 € anfallende Gebühren für die Nutzung der Trauerhallen im Monat, 67.641,60 € im Jahr.
Das waren nun viele Zahlen jedoch bleibt Fakt: Damit die Trauerhalle dann schön aussieht, bin ich als Bestatter gefragt. Folgend sind ein paar Bilder die ich in der Vorbereitung einer Trauerfeier in der Trauerhalle auf dem Waldfriedhof Eschweiler Pumpe/Stich gemacht habe.
Um wieder auf den Aufhänger zurück zu kommen. Es muss okay sein Friedhofsgebäude zu renovieren und moderner auszustatten. Macht es einen Unterschied, ob der Wert von. z.B. Designerstühlen bekannt ist oder sollte nicht generell pfleglicher mit öffentlichem Eigentum umgegangen werden?
Die Zeiten haben sich geändert. Wenn Friedhöfe ein Platz zum trauern bleiben sollen, muss nach meiner Meinung investiert werden. Sonst werden sie immer mehr ein Platz zum gruseln. Wir sparen uns unsere Friedhöfe kaputt. Sie sind wichtiger Bestandteil unsrer Gesundheitsinfrastruktur, aber leider sind sie auch unbeliebt, weil sie uns an unsere Endlichkeit erinnern.
Aber wer ehrlich zu sich selber ist, wird auch sagen, dass er lieber zu einer Bestattung in eine warme helle und saubere Trauerhalle geht als in eine kalte, feuchte und vielleicht sogar dreckige.
Quelle für die Gebühren: Friedhofsgebührensatzungen der genannten Städte.
Bilder aus eigenen Aufnahmen.
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